DE: Raffiniert gestaltetes Tuch des US-Künstlers Jeffrey Vallance. Im ersten Moment mag man Farbklecksereien denken, doch dann zeichnet sich langsam das Gesicht eines Menschen ab. Natürlich weckt das gleich Assoziationen zum weltbekannten Turiner Grabtuch. Der bräunliche Farbton erklärt sich dadurch, dass getrocknetes Blut imitiert wird.
Es bleibt dabei: Raffiniertes Machwerk, aus der Wunderwelt des Glaubens oder doch einer neu gestrickten Legende?
EN: Cleverly designed cloth by US artist Jeffrey Vallance. At first, you might think of paintbrushing, but then slowly a human's face is starting to show. Of course, the portrait evokes associations with the world-famous Turin Shroud. The brownish hue is explained by the fact that dried blood is imitated.
It remains: Refined machete, from the wonder world of the faith or yet a new legend?
Facts: Edition Jeffrey Vallance, Selbstporträt/Schweißtuch der Veronika , 1992. Signierter Siebdruck auf Leinen-Mischung, 41 x 41 cm - Edition 80 (Symbolische Fotografie - Nummer kann abweichen) / Multiple Jeffrey Vallance, Selfportrait/Schweißtuch der Veronika , 1992 Signed silkscreen on linen, 41 x 41 cm - Edition 80 (Symbolic Photography - Number could be different)
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"Geschichte ist das Maß der echten Neuheit. Es liegt Im Interesse derer, die Neuheit um jeden Preis zu verkaufen trachten, die Mittel zu vernichten, diese zu messen" (Guy Debord, Bemerkungen zur Gesellschaft des Spektakels).
Stellte Jeffrey Vallance seine Werke nicht als Kunst aus, dann wurde er wahrscheinlich verhaftet werden. Vallance liebt es, gefälschte Artefakte zu fälschen. Er stellte gefälschte Kronen aus, unauthentische heilige Tücher, und in einem Meisterstück des Betrugs seine eigene Version von "Richard M. Nixon Ubrary & Birthplace", eines Museums, das dem früheren US-Präsidenten gewidmet ist, der selber dafür bekannt war, Wahrheit und Erfindung zu vermischen. "The Spear of Destiny" (Der Speer des Schicksals) ist eine Neuschaffung des religiösen Reliktes, das angeblich den Körper des gekreuzigten Christus verletzte. Es ist das neueste Stück in der langen Reihe von Pseudoartefakten, die Vallance dem Publikum mit dem Pomp und der Rhetorik offizieller Darstellungen vorführt.
Während ein großer Teil gegenwärtiger "Vitrinen Kunst" (in Europa wie auch in den USA) endlos wiederholt, dass Geschichte eine Fiktion sei, eine Konstruktion, die wir mit objektiven Aufzeichnungen verwechseln, geht es Vallance um etwas weit weniger Griffiges. Anstatt uns einfach der Subjektivität historischer Wahrheit zu erinnern. prüfen seine falschen Relikte die sozialen Mechanismen. die jedem Glauben unterliegen. sei es in Geschichte, Kunst, Ideologie oder Religion. Dabei spielen sie auf eine besondere Begleiterscheinung des Kapitalismus an, nämlich das Reich der ständigen Neuheit, das geschichtliches Bewußtsein auslöscht und eine Welt schafft, in der zwischen Souvenirs und Artefakten nicht mehr unterschieden werden kann.
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Auf dem Tuch der Veronika, einem weiteren Relikt. das Jeffrey Vallance wiedererfunden hat. befindet sich eine Verordnung des Papstes, die die Vervielfältigung unter Androhung der Exkommunikation verbietet. Es ist somit ein Akt der Profanierung die Logik der Warenproduktion auf heilige Relikte anzuwenden. Ein Teil des Humors des Werks von Vallance liegt nun genau in der Art. in der seine trockenen Karikaturen das Heilige beschmutzen, in eine Novität oder ein Souvenir verwandeln. und trotzdem noch ungebrochene Ehrfurcht vermitteln. Durch ihre genau überlegte. elegante Darstellung scheint es, als wurden Vallances Relikte ihre üppige Falschheit geradezu genießen. Als wäre Fälschung überhaupt kein Grund zu Scham.
Dem heiligen Relikt tritt der Künstler gegenüber mit einem Blickpunkt. der von einer
Gesellschaft geformt ist. in der nichts unantastbar blieb und in der Fälschung und Wirklichkeit immer ununterscheidbarer scheinen.
In unserer Konsumkultur repräsentiert das "Original" - entweder als Kunstobjekt oder als geschichtliches Artefakt - eine Art soziale Grenze, die der vergleichbar ist, die das Heilige umgibt. Das Original Ist etwas, das den promiskuösen Reproduktionen der AIltagswelt enthoben ist. Seine "Wahrheit" wird nur durch seine Einmaligkeit garantiert. Jeffrea Vallances vervielfältigte Artefakte brechen diese Dichotomie dadurch, dass sie dort angesiedelt sind, wo Heiligenschrein und Souvenirbude ineinander übergehen. Es dreht sich nicht einfach darum, Feuerbachs Urteil zu bestätigen, dass die kapitalistische Kultur "das Zeichen dem Bezeichneten, die Kopie dem Original, die Einbildung der Wirklichkeit" vorzieht. Vallances Werk ist für eine Zeit geschaffen, die weniger die Kopie dem Original vorzieht, als vielmehr die Spannung zwischen ihnen in gänzlich anderem Licht gesehen, erscheinen diese Ersatzrelikte als 'echte Dokumente, Aufzeichnungen eines langen Performancestückes, das sich über Monate erstreckt. Bei den
Forschungen zu seinen Themen führt Vallance üblicherweise Briefwechsel mit vielen
Institutionen, reist zu den einschlägigen Schauplätzen und unterhält sich mit anerkannten Autoritäten des jeweiligen Sachgebietes, oft nach langwierigen Verhandlungen. Wo immer es möglich ist, baut er Beweisstücke dieser offiziellen Kontakte in seine Ausstellungsstücke ein.
Sein Nixonmuseum und eine Ausstellung seiner Tuschzeichnungen in Turin umfasste Leihstücke vom offiziellen Tuchmuseum der Stadt.
Diese Verbindung zu anerkannter Autorität verleiht eine gewisse Legitimation. Genau wie die Kopien des Tuchs der Veronika angeblich heilig werden, sobald sie mit dem Original in Kontakt kommen, genauso (durch einen ähnlichen Prozess der Kontamination) nehmen Vallances Fälschungen manches des Ansehens der echten Objekte an. Diese Kontamination wirkt jedoch beidseitig. Dadurch, dass Zeichen öffentlicher Autorität im Reich der Unechtheit mit Bedeutung belegt werden, entwertet sie Vallance als etwas Absurdes und Arbiträres.
Letztendlich reflektieren seine simulierten Artefakte eine tiefe Ambivalenz: sie verkörpern den Wunsch, die anonyme Autorität der Institutionen anzunehmen, zugleich aber auch, diese zu unterwandern.
Die Techniken der Legitimation, mit denen Vallance spielt, sind im Wesentlichen Techniken der Politik, sie befassen sich mit der Erstellung von Bildern der Macht. Sowohl das Tuch der Veronika wie der Speer des Schicksals werden verehrt, weil sie in direkter Verbindung zum Blute Christi stehen, doch wie jeder Fetisch werden sie als selbständige Machtobjekte betrachtet. Dieser Prozess, in dem Symbole ein Eigenleben annehmen, stellt ein Motiv dar, das Vallance seine ganze Karriere hindurch erforscht hat. Schließlich ist er der Künstler, der einst ein gefrorenes Huhn zum universalen Ikon des Märtyrertums machte.
Durch die Fälschung religiöser Artefakte als Kunstobjekte suggeriert Vallance auf verschlagene Weise, dass unsere Beziehung zur Repräsentation als solcher, besonders der Darstellung physikalischer Beweise, grundsätzlich dem Wesen nach theologisch ist, sowohl Ehrfurcht wie fehlgeleiteten Glauben vereinigt. Wir akzeptieren das physikalische Artefakte als unbezweifelbaren Beweis, als verlässliches Dokument der Geschichte, obwohl seine Bedeutung im Grunde davon abhängt, in welchem Zusammenhang es steht. Am Schluss jedoch, und darauf besteht Vallance, zählt nicht, ob der ausgestellte Gegenstand ein Original oder eine Kopie ist.
Was zählt ist, ob wir an ihn als Metapher glauben. Mit gutwilligem Humor warnt uns Vallance vor einer Metaphysik, die das Wahre gegen dasFalsche, das Original gegen die Fälschung stellt. Wer ist echter Österreicher, wer echter Deutscher? Das ist eine Frage, die Bürokraten angesichts der Flut von Flüchtlingen täglich stellen. Entscheidungen, was wirklich ist und was nicht, dürfen, so Vallance, nur ganz zögernd gemacht werden, wenn überhaupt. So wird er mehr zum Fürsprecher der Tugenden der Verwirrung und schlägt vor, dass in unserer Lebenswelt - einer Welt, deren offizielle Oberfläche aus einem Netzwerk von Lügen und Desinformationen besteht - Unsicherheit und Zweifel weit angebrachtere Einstellungen sind als Glaube.
Multiple Speere, multiple Schicksale. Ein Sinnbild des postmodernen Europas, die Trennung paralleler Wege andeutend? Oder eine Metapher für einen fürchterlichen homogenisierten Europudding, einen Staat und Zustand, in dem das Gleiche endlos reproduziert wird? Doch können wir überhaupt entscheiden, wie ernst es Vallance meint? Im Gegensatz zu so viel schwerfälliger und von sich selbst kritische Distanz behauptender Kunst dieser Art, haben seine Installationen etwas von präzis ausgeklügelten Streichen an sich. Diese Leichtigkeit ist nicht, zufällig: sie erinnert uns daran, dass man einen federnden Schritt braucht, wenn man auf brüchigen Pfaden wandelt. Die platonische Erbschaft absoluter Werte aufgeben, heißt den Weg zu öffnen zu einem flexiblen Prozess der Erforschung, der Wiederverhandlung und Neubewertung - zu genau dem Prozess, den der Künstler mit jedem neuen Projekt beginnt.
Text: Jeffrey Vallance (Galerie Krinzinger - Ausstellungs-Text "LAX 1992" von Ralph Rugoff)